„Wie bringst du einen Serben dazu, etwas zu tun, was er nicht möchte? – Sag ihm, es ist verboten.“ Mit dieser Anekdote erklärt uns unsere Stadtführerin die serbische Mentalität. Selbstbestimmt und unbeugsam lässt sich das Volk von niemandem etwas vorschreiben. Und das verwundert nicht, wenn man sich die Geschichte des Landes anschaut. Über viele Jahrhunderte war der Balkan Austragungsort von Machtkämpfen zwischen West und Ost und immer wieder war Serbien fremden Herrschern unterworfen. In 114 Schlachten wurde Belgrad über vierzigmal zerstört. Die letzten schweren Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Zerfall Jugoslawiens sind gerade einmal 20 bis 30 Jahre her. Seitdem entwickelt sich die Stadt rasant. Überall wird gebaut, neue Stadtviertel entstehen, alte verschwinden. Was du an einem Tag in Belgrad erleben kannst, zeigen wir dir in diesem Artikel.
Inhalt
Rund um den Nikola-Pašić-Platz
Wir starten unsere Tour am Nikola-Pašić-Platz. Er ist einer der Hauptplätze der Stadt und beheimatet unter anderem das serbische Parlament (Skupština) sowie das Hauptpostamt (Palata Glavne pošte) und das Gewerkschaftshaus (Dom Sindikata), beide in kommunistischer Architektur.
Über viele Jahre war Serbien ein Königreich. Nachdem das Land Ende des 18. Jahrhunderts die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangte, errichtete die nun herrschende Obrenović-Familie den Alten Palast (Stari dvor). Er dient heute als Rathaus der Stadt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Königreich Jugoslawien ausgerufen und die Karađorđević-Dynastie übernahm die Macht. Sie erbaute den Neuen Palast (Novi dvor), der heute der Sitz des serbischen Präsidenten ist.
Der Belgrade Design District
Vom Nikola-Pašić-Platz ist es nur ein kurzer Spaziergang bis zum Belgrade Design District. Mitten im Stadtzentrum stand hier über viele Jahre ein altes Einkaufszentrum leer und war dem Verfall ausgesetzt.
Vor ein paar Jahren hatte schließlich jemand die Idee, die aufgelassenen Geschäfte günstig an junge Künstler und Designer zu vermieten und dem Viertel so neues Leben einzuhauchen.
Mit Erfolg. Heute haben sich hier gut 30 neue Läden angesiedelt, die Mode, Deko, Schmuck und Kunst verkaufen. Vieles davon ist vor Ort handgemacht und in den meisten Geschäften verkaufen die Designer und Designerinnen noch selbst. Geöffnet ist täglich außer Sonntag ab 12 Uhr.
Die Fußgängerzone Knez Mihailova
Vom kleinen, alternativen Design District gehen wir wieder nur wenige Minuten zur großen Haupteinkaufsstraße Knez Mihailova. Der Weg dorthin führt uns teilweise durch verwinkelte Seitengassen. Hier sehen wir, dass Belgrad noch mitten im Erneuerungsprozess steckt. Während auf den Hauptstraßen die Fassaden häufig schon restauriert sind, sieht es in zweiter Reihe oft noch ganz anders aus.
Die Knez Mihailova ist dann aber wieder schön hergerichtet und eine typische Fußgängerzone in einer europäischen Hauptstadt. Internationale Modeketten, Wechselstuben und Restaurants prägen das Bild. Außerdem findest du dort einige hübsche Gründerzeithäuser.
In den Seitenstraßen stehen kleine Marktstände, die allerlei lokale und regionale Produkte vertreiben. Honig, Puppen, Traumfänger, Wollpullover und vieles mehr erhältst du hier für kleines Geld.
Immer wieder kommt außerdem der morbide Charme der Stadt zum Vorschein. Graffitis und abgerissene Poster über einem angerosteten Motorroller, abgebröckelter Putz und herabhängende Fensterläden über einem veganen Kiosk — nicht wirklich schön, aber doch irgendwie interessant.
Auch Streetart-Fans kommen in Belgrad voll auf ihre Kosten. Überall begegnen uns wahre Kunstwerke in allen Größen. Vom kleinen Porträt an einer Gebäudeecke bis hin zum großflächigen Mural ist alles dabei. Inzwischen gibt es sogar eigene Touren nur dafür. Unsere Bloggerkollegin Janett von Teilzeitreisender hat sich ebenfalls auf die Suche nach Straßenkunst gemacht und darüber geschrieben.
Das Trendviertel Savamala
Im Anschluss erkunden wir das jüngste Viertel der Stadt. Im Sommer 2018 stellte der alte Belgrader Hauptbahnhof seinen Betrieb ein. Die weitverzweigten Güter- und Rangiergleise werden nun nach und nach entfernt und durch zahlreiche Neubauten ersetzt. Entlang des Save-Flusses entstand eine neue Uferpromenade, die Fußgängern und Radfahrern vorbehalten ist.
Hier lässt es sich prima dem Trubel der Stadt entfliehen. Fast alleine schlendern wir am Fluss entlang. Hier und da versucht ein Angler sein Glück. Am gegenüberliegenden Ufer reihen sich Belgrads berühmt-berüchtigte Restaurant- und Party-Boote aneinander. Die Stadt ist für ihr ausgeprägtes Nachtleben bekannt und so manch einer ist angeblich schon auf dieser Ausgehmeile verschollen.
Am Ende der Uferpromenade erreichen wir die „Betonhalle“ (Beton hala). Einst ein Zollwarenlager, beherbergt die Anlage heute eine Vielzahl von Restaurants, Nachtclubs und Bars. Abends erwacht das Viertel zum Leben und lockt Feierwütige aus der ganzen Stadt an.
Die Festung von Belgrad und der Kalemegdan
Die letzte Station unseres Tags in Belgrad ist die alte Festung der Stadt. Ihre Wurzeln reichen bis in die Römerzeit zurück, stark ausgebaut wurde sie schon im frühen Mittelalter. Die Anlage besteht aus den drei Teilen Oberstadt, Unterstadt und Kalemegdan-Park.
Die Oberstadt
Die Oberstadt ist der am stärksten befestigte, innere Teil der Zitadelle. Viele der massiven Mauern haben die Jahrhunderte überdauert. Die freien Flächen dazwischen dienen heute als Theaterbühnen, Sportplätze und Freilichtmuseen.
Das Innere der Oberstadt ist inzwischen ein weitläufiger Park. Unter osmanischer Herrschaft entstand hier ein muslimisches Mausoleum, der Uhrturm hingegen stammt aus der Zeit der Besatzung durch die Habsburger.
Am östliche Ende der Oberstadt steht das beeindruckende Zindan-Tor. Die Ungarn errichteten die beiden massiven Türme hastig, um das Kastell gegen die bereits herannahenden Osmanen zu verteidigen. Das half jedoch nichts, die Burg fiel trotzdem und die beiden Türme dienten fortan als Verlies.
Die Unterstadt
Gleich hinter dem Zindan-Tor führen Stiegen hinunter in die Unterstadt. Dort blieb deutlich weniger übrig, nachdem dieser Bereich der Festung viel häufiger eingenommen wurde.
Gut erhalten und heute noch genutzt ist die kleine orthodoxe Rosenkirche (Ružica), die auch von innen hübsch anzusehen ist. Vor allem der reich verzierte Altarraum mit den bunten Ikonen ist typisch für orthodoxe Gotteshäuser.
Der Kalemegdan-Park
Rund um die Oberstadt liegt die weitläufige Parkanlage Kalemegdan. Ihr Name kommt aus dem Türkischen und bedeutet „Burgplatz“. Vom westlichen Teil des Parks hast du eine schöne Aussicht auf Belgrad sowie den Zusammenfluss von Save und Donau. Sehr empfehlenswert vor allem zum Sonnenuntergang.
Hier beenden wir unseren Rundgang und machen uns noch am gleichen Abend auf zu unserem nächsten Ziel: Skifahren und Snowboarden in Kopaonik in Serbiens Süden.
Fazit
Ein Tag in Belgrad reicht gerade so, um die wichtigsten Ecken der Stadt zu erkunden. Ist Belgrad schön? Nein — zumindest nicht im klassischen Sinne. Ist Belgrad interessant? Ja, auf jeden Fall! Es tut sich extrem viel, überall wird gebaut und restauriert. Es wird also spannend, wie sich die Stadt in den nächsten Jahren entwickelt. In jedem Fall ist Belgrad ein preiswertes Reiseziel, das durch seinen internationalen Flughafen gut angebunden ist. Wenn du also eine aufstrebende, junge Stadt abseits der bekannten europäischen Metropolen suchst, könntest du hier fündig werden. Weitere Empfehlungen für das alternative Belgrad bekommst du zum Beispiel bei Still in Belgrade. Falls du nach Abwechslung von der recht fleischlastigen serbischen Küche suchst, hat Christina von CitySeaCountry Tipps für veganes Essen in Belgrad.
Hinweis: Wir wurden von der Nationalen Tourismusorganisation Serbiens zu dieser Reise eingeladen. Vielen Dank an alle Beteiligten! Die Meinungen in diesem Artikel basieren auf unseren eigenen Erfahrungen.
Reisetipps Belgrad
Hotel in Belgrad
Metropol Palace Hotel, Bulevar Kralja Aleksandra 69
Metropol Palace Hotel auf booking.com *
Schönes Hotel mit gemütlichen Zimmern, ca. 15 Gehminuten vom Nikola-Pašić-Platz entfernt. Sehr große Auswahl beim Frühstücksbuffet, gratis WLAN. Den Wellness-Bereich haben wir nicht getestet.
Restaurants in Belgrad
Endorfin, Braće Jugovića 3
www.endorfin.rs
Moderne serbische Küche und große Auswahl an serbischem Craft Beer. Wir durften an einem Craft Beer Tasting mit Food Pairing teilnehmen, bei dem wir fünf verschiedene sehr gute Biere mit dazu passenden Gerichten verkosten konnten. Einziger Nachteil: Wie viele Restaurants in Serbien ist das Endorfin ein Raucherlokal.
Transport vor Ort
Viele Wege in Belgrad kannst du zu Fuß erledigen, das Stadtzentrum ist nicht allzu weitläufig. Ansonsten gibt es ein weitverzweigtes Netz aus Straßenbahnen und Bussen. Tipps für dessen Nutzung gibt (auf Englisch) The Culture Trip. Auf eine versprochene U-Bahn warten die Belgrader schon seit Jahren. Ob sie jemals kommen wird, ist fraglich.
Reiseinfos Serbien
Sprache
Serbisch. In Serbien sind lateinische und kyrillische Schrift gleichberechtigt. Schilder können daher in der einen, der anderen oder beiden Schreibweisen beschriftet sein.
Zeitzone
MEZ, UTC+1, Sommerzeit von März bis Oktober. Kein Zeitunterschied zu Deutschland/Österreich/Schweiz.
Währung
Serbischer Dinar (RSD). Ein Dinar ist theoretisch in 100 Para unterteilt, allerdings ist die 1-Dinar-Münze das kleinste Geldstück. 1 Dinar entspricht etwa 0,85 Eurocent, 1 Euro ist rund 118 Dinar wert.
Strom/Adapter
230 V/50 Hz, kein Adapter notwendig.
Trinkgeld Restaurant
Trinkgeld ist nicht verpflichtend. Für sehr guten Service sind 5-10 % des Rechnungsbetrags angemessen.
Trinkgeld Taxi
Im Taxi wird der Fahrpreis nach eigenem Ermessen aufgerundet. Es empfiehlt sich, den Fahrpreis vorher zu vereinbaren.
Trinkgeld Hotel
Gepäckträger: optional nach eigenem Ermessen
Reinigungspersonal: optional nach eigenem Ermessen
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Danke für diese Hinweise. Aber in der Millionenstadt Beelgrad gibt es doch sicher weitaus mehr Interessantes zu sehen.
Gerne! Das mag durchaus sein. Wir waren jedoch im Rahmen einer geführten Tour nur einen Tag in der Stadt und beschreiben in dem Artikel, was wir während dieses kurzen Besuchs als sehenswert empfunden haben. Wir folgen damit unserem Grundsatz, nur Dinge zu empfehlen, die wir auch selbst erlebt haben. Für zusätzliche Recherche haben wir im Text weitere Quellen für alternative Aktivitäten verlinkt.