„Ein Wochenende in Belarus – was macht ihr denn dort?“ Etwas verständnislos sind die Blicke teilweise, wenn wir von unseren jüngsten Reiseplänen berichten. Und hätte Wolfgang nicht dienstlich dort zu tun gehabt, wären wir vielleicht auch nicht auf die Idee gekommen in das osteuropäische Land zu reisen. Dass das ein Fehler gewesen wäre, stellen wir vor Ort schnell fest. Eine Reise nach Weißrussland, wie das Land auf Deutsch auch genannt wird, lohnt sich auf jeden Fall!
Viel wussten wir vorher nicht über Europas größtes Binnenland. Umso interessanter sind für uns die Erläuterungen unserer Reiseführerin Veranika, die uns zwei Tage lang begleitet. Von ihr lernen wir viel über die Geschichte und Kultur des Landes, das erst seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig ist. Russisch ist noch heute die Verkehrssprache des Landes und gemeinsam mit Belarusisch offizielle Amtssprache. Wir nennen im Artikel beide Namen, da die Beschilderung vor Ort variiert. Was genau du an einem Wochenende in Belarus entdecken kannst, stellen wir dir in diesem Beitrag vor.
Inhalt
Eine Stadttour durch Minsk
Mit knapp 2 Millionen Einwohnern ist Minsk nicht nur Hauptstadt, sondern auch die größte Stadt Belarus‘. Das historische Zentrum wurde im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört. Die wichtigsten historischen Gebäude wurden allerdings originalgetreu wieder aufgebaut und befinden sich größtenteils in der Oberstadt (верхний город/верхні горад). Diese ist nicht allzu groß, sodass du alles gut zu Fuß erreichen kannst.
Das Herz der Stadt bildet der Freiheitsplatz mit der orthodoxen Heilig-Geist-Kathedrale und dem ehemaligen Marktplatz. Ihnen gegenüber stehen das alte Rathaus und die katholische Mariä-Namen-Kathedrale.
Über den Platz spazieren wir hinunter zur Swislatsch. Der Fluss durchquert das Stadtzentrum und ist immer wieder zu kleineren Seen aufgestaut. Entlang des Flusslaufs entstand beim Wiederaufbau die Traezkae-Vorstadt. Sie ist ein Abbild der Altstadt des 19. Jahrhunderts.
Ihr gegenüber liegt die Insel der Tränen. Sie erinnert mit mehreren Denkmälern an die weißrussischen Gefallenen im Afghanistankrieg der 80er-Jahre.
Goodbye Lenin … oder doch nicht?
Nach den erbitterten Kämpfen des Zweiten Weltkriegs blieb Weißrussland Teil der Sowjetunion. Somit fiel der Wiederaufbau von Minsk in die Blütezeit des sowjetischen Klassizismus. Außerhalb der Altstadt findest du viele wuchtige Monumentalbauten, insbesondere unter den Gebäuden staatlicher Einrichtungen.
Während jegliche Erinnerung an den sowjetischen Diktator Stalin in den 60er-Jahren entfernt wurde, ist der geistige Vater der Sowjetunion noch allgegenwärtig. Das Regierungsviertel am Leninplatz oder die Prachtallee des Lenin-Prospekts erinnern an den Revolutionsführer.
Auch andere Namen aus der Sowjetzeit sind geblieben. Der belarusische Geheimdienst heißt heute noch KGB und residiert in einem der prunkvollen Stadtpaläste.
Im Osten der Innenstadt lohnt sich noch ein Abstecher zum Siegesplatz. Der riesige Obelisk in der Mitte des Platzes ist den Gefallenen des Zweiten Weltkriegs gewidmet und eine ewige Flamme gedenkt den Opfern. In der Unterführung unter dem Platz sind auf Tafeln unzählige Namen von im Krieg Verstorbenen verewigt.
Die Schlösser von Njaswisch und Mir
Belarus war seit dem Mittelalter die Heimat des Adelsgeschlechts der Radziwill. Die weitverzweigten Wurzeln der einflussreichen Familie reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert und noch heute leben die Nachfahren in der ganzen Welt verstreut. Seine Hochphase hatte der Clan in jener Zeit, als Weißrussland Teil des Großfürstentums Litauen war. In dem großen Staat, der von der Ostsee bis ans Schwarze Meer reichte, bekleideten die Radziwill viele hochrangige staatliche, militärische und kirchliche Ämter. Insgesamt verfügten die Mitglieder der Familie über 23 Stammschlösser. Zwei davon, Njaswisch und Mir, schauen wir uns auf einer Tagestour genauer an.
Schloss Njaswisch
Etwa 120 Kilometer Richtung Südwesten sind es von Minsk über die gut ausgebaute Autobahn M1 bis in die Kleinstadt Njaswisch (Несвиж/Нясвіж). Am Stadtrand liegt das Schloss auf einer künstlich angelegten Insel. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist seit dem Rückbau der Verteidigungsanlagen durch einen festen Damm mit dem Festland verbunden.
Die prachtvolle Anlage war vornehmlich als Winterresidenz in Gebrauch. Daher schmücken zahlreiche Kamine die Dächer der Haupttrakte. Auch die Pferdeställe waren winterfest und komfortabel ausgebaut, damit die wertvollen Tiere den Winter gut überstanden.
Bei einer Führung durch das Schloss erfahren wir viel über die wechselhafte Geschichte der Radziwill. Durch seine zentrale Lage in Europa zwischen Nord und Süd sowie Ost und West geriet das heutige Belarus immer wieder zwischen die Fronten. Dank ihres internationalen Einflusses schaffte es die Familie aber fast immer, einigermaßen schadlos aus diesen Episoden hervorzugehen. Selbst Napoleon verschonte die Besitztümer auf seinem Feldzug in Richtung Russland.
Erst im Zuge der Eingliederung Weißrusslands in die Sowjetunion wurde die Familie enteignet und das Schloss ging in Staatsbesitz über. Heute ist es bei der UNESCO als Weltkulturerbe gelistet und für Besucher zugänglich.
Schloss Mir
30 Kilometer nordwestlich von Njaswisch liegt das kleine Örtchen Mir (Мир/Мір). Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erwarben die Radziwill den ganzen Ort einschließlich der nahegelegenen Zitadelle. Sie erweiterten die Burg um einen Wohnkomplex und fortan diente Schloss Mir dank der ausgedehnten umliegenden Jagdgebiete vornehmlich als Sommerresidenz.
Aber auch im Winter ist die burgähnliche Anlage hübsch anzusehen. Jeder der fünf Türme ist anders verziert. Dieser Flickenteppich wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass das Schloss bereits mehrfach restauriert werden musste.
Die Innenräume des Schlosses sind ebenfalls schön renoviert. Auch hier bekommen wir eine interessante Führung und sehen nicht nur die Prunkräume, sondern auch die Vorratskeller und Aufenthaltszimmer für die Bediensteten.
Wieder zurück im Innenhof kannst du über eine sehr steile und enge Treppe den Südwestturm mit Wehrgang erklimmen. Von oben hast du eine schöne Sicht auf das Schloss und den nebenan künstlich angelegten See.
Bei einem Schneespaziergang entlang der Mauern und des Sees erzählt uns Veranika noch einiges über die Radziwill, bevor wir die Rückfahrt nach Minsk antreten.
Eine Masleniza-Feier zum Mitmachen
Wenn du im Winter nach Belarus reist, erkundige dich vorher, wann Masleniza ist. Dieses Fest, auf Deutsch „Butterwoche“ genannt, wird in der letzten Woche vor der orthodoxen Fastenzeit begangen und ist ein echtes Erlebnis. Vor dem Fastenbeginn darf noch einmal ausgiebig gevöllert und gefeiert werden und im ganzen Land gibt es unzählige Veranstaltungen.
Zufälligerweise haben wir bei unserer Reise genau das Ende der Masleniza-Woche getroffen. Gleich am Anreisetag werden wir beim Abendessen in einem traditionell belarusischen Restaurant unerwartet Teil einer solchen Feier. Die „Zeremonienmeisterin“ stattet das ganze Lokal mit traditionellen Accessoires wie Haarbändern, Schürzen und Kopftüchern sowie verschieden Rhythmusinstrumenten aus. Bei Dudelsack- und Geigenmusik singt jeder Gast eine Strophe eines russischen Liedes und tanzt in der Runde mit.
Außer uns sind keine Touristen da und ich spreche nur ein bisschen Russisch. Daher verstehen wir nicht wirklich, was wir genau machen sollen. Mit Erklärungen per Hand und Fuß sowie simplem Nachahmen werden wir aber schnell ein vollwertiger Teil der Darbietung. Zum Abschluss bekommen wir noch einen Schnaps, der irgendwie nach sauren Gurken schmeckt und eine Art Heringshappen. Danach einen traditionellen Buchweizenpfannkuchen, der Glück bringen soll.
Insgesamt ein tolles Erlebnis und ein schönes Beispiel dafür, dass Völkerverständigung auch ohne gemeinsame Sprachkenntnisse funktionieren kann!
Visafreie Einreise nach Belarus
Seit Juli 2018 können Bürger aus 74 Staaten bis zu 30 Tage visafrei nach Belarus einreisen, darunter auch Deutschland und Österreich. Eine vollständige Übersicht findest du bei der belarusischen Botschaft. Wichtig: Voraussetzung ist die Einreise über den Nationalen Flughafen Minsk. Willst du die Grenze auf dem Landweg aus einem der Nachbarländer überqueren, gilt die Regelung nicht und du musst vorher ein Visum beantragen!
Damit am Flughafen alles klappt, brauchst du einen Reisepass, der noch mindestens 3 Monate nach Ausreise gültig ist. Außerdem eine aktuelle Bestätigung einer in Belarus gültigen Reisekrankenversicherung, die mindestens 10.000 Euro abdeckt. Wir haben eine Jahresreiseversicherung und konnten diese Bestätigung einfach vorab telefonisch bei der Versicherungsgesellschaft anfordern. Wenn du keine solche Versicherung hast, kannst du an einem Schalter direkt vor der Passkontrolle für 2 Euro eine Police kaufen.
Eigentlich vorgeschrieben, bei uns jedoch nicht kontrolliert, ist das Mitführen ausreichender Geldmittel für den Aufenthalt. Der Richtwert entspricht aktuell etwa 25 Euro pro Tag. Prüfe das aber sicherheitshalber noch mal kurz vor deiner Einreise. Am besten nimmst du den Betrag einfach in bar mit.
Sofern du das alles beachtest, geht die Einreise schnell und unkompliziert vonstatten. Die Mitarbeiter der Passkontrolle waren bei uns sehr freundlich und sprachen gut Englisch. Auf keinen Fall solltest du jedoch die weiße Migrationskarte verlieren, die du bei der Einreise bekommst. Das kann zu Komplikationen bei der Ausreise führen.
Fazit
Für uns ist Belarus ein echter Reisegeheimtipp! Die interessante und pulsierende Hauptstadt Minsk, die schönen Schlösser und die ausgezeichnete Küche haben uns begeistert. Besonders beeindruckt haben uns die Leute vor Ort. Durch die unglaublich freundlichen, aufgeschlossenen und hilfsbereiten Menschen haben wir uns im Land sehr willkommen gefühlt.
Im Sommer gibt es in Minsk viele Open-Air-Festivals und du kannst deutlich mehr Ausflüge in die unberührte Natur Belarus‘ unternehmen. Mehr als zwei Drittel des Landes sind mit Wald bedeckt und es gibt über 11.000 Seen. Der Nationalpark Belaweschskaja puschtscha im Südwesten an der polnischen Grenze gilt als Europas ältester noch bestehender Urwald. Er ist einer der letzten Orte auf unserem Kontinent, an dem du Wisente (europäische Bisons) in freier Wildbahn beobachten kannst. Mehr als ein guter Grund also, in der wärmeren Jahreszeit noch einmal wiederzukommen!
Unser besonderer Dank für diese Reise gilt dem Team vom VS Global Lufthansa City Center, das uns bei der Planung und Organisation der Reise sehr großzügig unterstützt hat! – Огромное cпасибо VS Global for your generous support in organising this trip!
Reisetipps Belarus
Hotel in Minsk
Hampton by Hilton Minsk City Center, Vulitsa Tolstoho 8
Modernes Business-Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofs mit gratis WLAN. Der Freiheitsplatz ist etwa 30 Fußminuten entfernt. Mit den sehr günstigen Taxis brauchst du 5 Minuten.
Restaurant in Minsk
- Kuchmeister, Vulitsa Karla Marksa 40, https://www.kuhmistr.by/
Hervorragende und authentische belarusische Küche in rustikalem Ambiente. Nettes Personal und sehr faire Preise. - Gambrinus, Ploshcha Svabody 2, gambrinus.by
Sehr gute belarusische und europäische Küche in gemütlicher Pub-Atmosphäre. Im „Beer Book“ findest du über 100 Biere aus aller Welt.
Transport vor Ort
Die Oberstadt von Minsk kannst du wunderbar zu Fuß erkunden. Es gibt es zwei U-Bahn-Linien, eine dritte ist im Bau. Außerdem existiert ein dichtes Netz aus Straßenbahnen, Oberleitungsbussen und Bussen. Eine Einzelfahrt ist mit 55 Kopeken (ca. 0,20 EUR) sehr günstig.
Mehr Infos zu den öffentlichen Verkehrsmittlen in Belarus findest du bei der belarusischen Tourist-Info.
Taxis sind in Minsk ebenfalls sehr preiswert. In der Rufgebühr von 5 Belarusischen Rubel (BYN, ca. 2 EUR; 8 BYN an Sonn- und Feiertagen) sind 5 Kilometer Fahrtstrecke enthalten. Das reicht für die meisten Strecken innerhalb der Stadt völlig aus.
Zu den Schlössern von Njaswisch und Mir kommst du am einfachsten mit einem Fahrer oder einem Mietwagen. Die Straßen sind gut ausgebaut und es ist wenig Verkehr. Die Busfahrpläne von Minsk nach Njaswisch sind spärlich und zwischen Njaswisch und Mir gibt es gar keine Verbindung.
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